Ein paar Meilen vor mir liegt die Insel Kastos, die ich mir als heutiges Ziel auswähle. Falls der Wind so bleibt, bin ich in zwei bis drei Stunden dort. Er bleibt so, frischt sogar noch auf und dreht sich zu meinen Gunsten. Am südlichen Ende der Insel kommt ein Segelboot mit britischer Flagge auf mich zu. Er scheint das gleiche Ziel wie ich zu haben und wir liefern uns eine kurze Regatta, die er für sich entscheidet und kurz vor mir am Ankerplatz eintrifft. An dessen südlicher Begrenzung findet sich eine alte Windmühle, die meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Es ist nicht viel los hier und ausreichend Platz, so dass ich meinen Anker auf zehn Meter Wassertiefe über Sand fallen lasse. Das Meer ist glasklar, und ich sehe, wie sich das Eisen in den Sand wühlt und sich dort festgräbt. Fünfzig Meter Kette lasse ich raus, das gibt mir genügend Sicherheit, zumal der Wetterbericht keine unangenehmen Überraschungen bereithält.
Diese kleine, acht Kilometer lange und ein Kilometer breite Insel ist von nur fünfzig Menschen dauerhaft bewohnt und hat sogar eine kleine Marina, die kleineren Booten Platz bietet. Der Tourismus spielt hier keine grosse Rolle, obwohl die Insel nur wenige Meilen vom Festland entfernt ist und obwohl regelmässig eine kleine Fähre den Hafen ansteuert. Mir soll es recht sein.
Abends lasse ich mein Dinghy zu Wasser und mache mich auf den Weg, den Ort zu erkunden. Die Insel ist grün mit vielen Pinien und Olivenbäumen. Der Ort selbst besteht nur aus ein paar Häusern, aber immerhin gibt es hier auch einen kleinen Supermarkt, in dem man frische Waren bekommt, die morgens mit der ersten Fähre vom Festland geliefert werden.
Die Marina ist sehr klein, einige Fischerboote liegen hier. Die wenigen Segler, die hier Platz finden müssen mit Anker und Heckleine an der Mole festmachen. Zwei Tavernen und ein Café bzw. Bar haben sich hier niedergelassen. Auf dem Weg zur alten Windmühle gibt es noch ein gepflegtes Restaurant mit einer großen Terrasse. Das Ufer ist hier steinig, durchsetzt von Felsblöcken.
Der Weg wird immer rauher und steiler, aber ein paar Minuten später bin ich dort. Auf der Terrasse hat man einen schönen Blick zum Festland hinüber und zu meinem Ankerplatz. Ich bestelle mir einen „Greek Spritz“, der aus Gin, Triple Sec, Bergamot, Mandarin und Rosmarin zusammen gemischt wird. Er schmeckt hervorragend. Ich genieße die einmalige Stimmung und den großartigen Ausblick, bis die Sonne untergeht und mein Hunger sich meldet. Ich mache mich wieder auf den Weg nach unten zu den Tavernen.
Bei Beiden ist noch nicht viel los. Ich gehe zunächst zu „Il Porto“ und frage, ob sie einen Tisch für mich hätten. Die Dame am Empfang mustert mich von oben bis unten und fragt, für wie viele Personen. „Ich bin alleine“ gebe ich ihr zur Antwort. Sie mustert mich noch einmal und sagt dann, dass sie keinen freien Tisch mehr hätten. Mein Blick schweift über das Lokal, gut zwei Drittel der Tische und Stühle sind nicht besetzt. Na gut, wenn es denn so ist, versuche ich es beim nächsten.
Die Taverna „Bellos“ macht mir einen sehr guten Eindruck. Hier ist schon wesentlich mehr los und ein Großteil der Tische ist besetzt oder als reserviert gekennzeichnet. An der Wand hängt eine Tafel, auf der geschrieben steht, dass Gäste hier die Dusche benutzen dürfen. Dimitrios, der Chef der Taverne, kommt auf mich zu und begrüsst mich freundlich. „Hast Du einen Tisch für mich?“ frage ich.
„Heute ist alles belegt, aber warte einen Moment, wir finden eine Lösung“.
Er schnappt sich einen Mitarbeiter, geht nach hinten und kommt mit einem Tisch und einem Stuhl zurück. Maria, die Kellnerin, deckt ihn und bringt mir ein Glas Wasser. Vor der Taverne hat die Fähre geparkt, eine Tafel des Restaurants weist darauf hin: „not the best view, but the best food“. Das hört sich schon vielversprechend an.
Ich bestelle Tarama, Zucchinibällchen, Tsatsiki und einen gegrillten Oktopus. Es schmeckt hervorragend.
Nach dem Essen treffe ich Ian, den englischen Skipper, der sich mit mir bei der Ansteuerung der Insel eine kurze Regatta geliefert hat vor der Taverne „Il Porto“, deren Tische noch immer zu mindestens einem Drittel nicht besetzt sind.
Wir kommen ins Gespräch und er erzählt mir, dass es hier eine hervorragende Bar gibt. Dort gehen wir hin, um unser Gespräch weiterzuführen. Fast unscheinbar ist sie zwischen den wenigen Häusern eingebettet. „El.A“ heisst sie, benannt nach den beiden Betreibern Ella und Alex. Man muss über steile Stufen nach oben klettern und kommt auf einen kleinen Balkon, der im Wesentlichen die Bar ist. Gute Musik kommt aus den Lautsprechern und Alex begrüsst Ian herzlich. Offensichtlich kennen sich die Beiden schon länger. Von hier aus hat man einen hervorragenden Blick über die Ankerbucht, in der inzwischen schon ein paar Schiffe mehr liegen. Wir fachsimpeln noch über das Segeln, unsere Schiffe und ich bekomme noch einige wertvolle Tipps bevor ich wieder auf mein Schiff zurück gehe.
Am nächsten Morgen ist es windstill. Das Meer ist spiegelglatt, die Wetterprognose verspricht einen windarmen bis windstillen Tag. Das nutze ich für eine kleine Wanderung. Das kleine Dorf mit seinen wenigen Häusern lasse ich rasch hinter mir und komme auf einen Kiesweg, der mich stetig nach oben führt. Ein paar wilde Ziegen beobachten mich befremdlich, bevor sie wieder im Gebüsch verschwinden. Oben angekommen, habe ich einen sehr schönen Blick auf die Insel Kalamos. Der Weg ist zu Ende und ich gehe in die andere Richtung, wandere der Ostküste entlang Richtung Norden. Es ist wunderschön. Olivengärten, Pinien, die typische Macchia des Mittelmeeres säumen den Weg. Immer wieder sehe ich einsame Buchten und schöne Strände aus feinem Kies. Als die Mittagshitze kommt, klettere ich zu einem hinunter und genieße ein herrliches Bad im Meer. Zum Trocknen lege ich mich auf eine glatt geschliffene Steinplatte, schließe die Augen und hänge meinen Träumen nach. Ich erinnere mich an eine ähnliche Situation in Schweden und tauche ab in meine Erlebnisse. Schweden erlebte damals einen „Jahrhundertsommer“ mit ungewöhnlich warmen Temperaturen. Selbst die Ostsee war vierundzwanzig Grad warm. Wunderschön, aber kein Vergleich zu hier. Irgendwann löse ich mich aus meinen Träumen, ziehe mich wieder an und mache mich auf den Rückweg. Den Abend verbringe ich noch einmal bei der Windmühle und in der Taverne „Bellos“ bei Dimitrios. Ich lass mir von ihm ein Abendessen zusammenstellen, das wieder hervorragend schmeckt.