Von Preveza kommend muss ich durch den engen Kanal von Lefkada, der die Insel Lefkas vom griechischen Festland trennt durch. Die Schwenkbrücke öffnet nur zu bestimmten Zeiten, die in der Seekarte angegeben sind. Konstant sind nur die Öffnungszeiten um 08:00, 10:00, 19:00 und 22:00 Uhr. Dienstags Donnerstag und Samstag öffnet sie zusätzlich um 14:00 Uhr. Eine längere Wartezeit überbrücke ich am Eingang zum Kanal vor Anker. Besser zu früh da zu sein, als dann noch zwei Stunden warten müssen. Dann geht es endlich los und die Brücke dreht sich zur Seite. Das übliche Elefantenrennen startet, jeder möchte der erste sein. Ich warte, bis die hitzigsten Gemüter durch sind, dann mache ich mich ebenfalls auf den Weg. Die Brücke bleibt offen, bis der letzte durch ist, Hektik ist fehl am Platz. Was dann folgt, ist eine langweilige Kanalfahrt durch enges Fahrwasser mit Gegenverkehr. Aber dann ist es endlich geschafft. Wind ist keiner und länger mit dem Motor zu laufen habe ich keine Lust.
Am Ufer des griechischen Festlandes sehe ich einen schönen Strand mit einer kleinen Holzhütte. Liegestühle sind aufgestellt und ein paar Badegäste haben sich eingefunden. Dort steuere ich hin, lasse meinen Abstand in ordentlichem Abstand zum Badestrand auf zehn Meter in den Sand fallen und genieße den Anblick. Eine einfache Hütte, dessen Dach zum Teil mit Weinreben bedeckt ist, bunte Stühle, Tische direkt am Strand, Sonnenschirme und ein kleiner, wackeliger Steg. Aus den grünen Bäumen kreischen Zikaden. Die kleine Bucht hat eigentlich keinen Namen, drum verrate ich Dir die Koordinaten: 38°47.087 N und 20°45.197 E.
Auf der Kiesstrasse knattert ein uraltes Moped, wirbelt ein bisschen Staub auf und parkt direkt bei der Hütte. Ein hagerer Mann mit grauen Haaren und Bart geht hinein.
Nur wenige Menschen sind am Strand und auf den Stühlen bei der Hütte.
Als nachmittags die Hitze zunimmt, beschließe ich ans Ufer zu schwimmen und gehe zur Hütte. Ich bestelle bei der Dame ein Bier und setze mich auf einen der bunten Stühle mit Blick aufs Meer und mein Schiff.
Dann kommt Georgos und fragt, woher ich komme. In Österreich war er noch nie, hat aber gehört, dass es dort sehr schön sein soll. Wir plaudern ein bisschen und ich erfahre, dass er die Hütte und den Strand nur im Sommer mit seiner Frau bewirtschaftet. Wenn viel los ist, hilft seine Tochter mit. Im Winter arbeitet er auf der Insel Lefkada. Ich frage ihn, ober er abends ein Essen anbietet. „Klar, ist seine Antwort“, aber es gibt nur das, was ich gerade frisch bekomme. Du hast keine große Auswahl.“ Das ist mir mehr als recht und ich reserviere einen Tisch bei ihm.
Den Nachmittag verbringe ich wieder auf meinem Schiff, lese, schreibe und schwimme im glasklaren Wasser, das inzwischen angenehm warm ist.
Abends fahre ich mit meinem Beiboot ans Ufer und mache an dem kleinen Holzsteg fest. So, wie es scheint, bin ich der einzige Gast. Georgos hat einen Tisch direkt am Strand vorbereitet. Schön gedeckt und mit einem Windlicht drauf, dessen Kerze er anzündet, als er mir eine Flasche Wasser an den Tisch stellt. Ich bin der einzige Gast.
Seine Tochter Ireni serviert mir mit einem freundlichen Lächeln den bestellten Weisswein in einer kupferfarbenen Karaffe. Es ist einfach unbeschreiblich. Langsam dämmert es, die Sonne verschwindet langsam hinter den Bergen von Lefkada und die Lichter gehen an. Kleine Dörfer in den Bergen, die man bei Tag nicht wahrgenommen hat, Leuchttürme, Straßen und größere Orte direkt am Meer.
Ireni kommt mit der Vorspeise, einem griechischen Salat. „Die Tomaten, die Zwiebeln und die Gurke kommen aus dem eigenen Garten!“ erklärt sie mir. Es schmeckt hervorragend, dazu diese einmalige Stimmung. Das sind Glücksgefühle, die man nicht kaufen kann.
Dann kommt Georgos und bringt mir den Hauptgang: Fisch vom Grill und Pommes. Der Fisch schmeckt ausgezeichnet. Jeden Bissen lasse ich langsam im Mund zergehen, schmecke den typischen Geschmack der Holzkohle und das feste, beinahe grätenlose Fleisch.
Georgos setzt sich zu mir und beginnt ein Gespräch über den Sinn des Lebens.
„Schau hinauf in den Himmel, siehst Du die Sterne und die Milchstrasse über uns? Spürst Du die Energie, die von diesem Platz ausgeht?“
„Ja, die spüre ich. Es ist eine Energie voll von Ruhe, Frieden und Schönheit“ antworte ich ihm. „Man möchte das am Liebsten für immer haben.“
„Nimm sie auf, speichere sie ab und hole sie hervor, wenn Du sie wieder brauchst“. Dann sitzen wir da, schauen einfach aufs Meer hinaus, trinken unseren Wein. Da braucht es keine Worte mehr.
„Schau rüber zu der Insel auf der linken Seite. Die gehörte Onassis. Ich glaube nicht, dass er trotz seine vielen Geldes so glücklich sein konnte, wie ich es bin“.
„Keine Ahnung, vielleicht war er es ja, vielleicht wurde er auch von diesem Ort gefangen genommen, sonst hätte er die Insel ja nicht gekauft“.
Ich kann es nicht abschätzen, zumal ich Onassis nur dem Namen nach kenne und mich mit seiner Lebensgeschichte nicht befasst habe.
Es ist Mitternacht, als ich mich von Georgos verabschiede. Seine Frau und seine Tochter sind schon viel früher nach Hause gegangen.
Auf meinem Schiff angekommen zünde ich mir noch eine Zigarre an und nehme einen kleinen Schluck Rum mit auf meinen Grossvaterstuhl, wie ich den Sitz im Heck nenne. Ich schaue in den Himmel, in die Milchstrasse und reflektiere noch einmal den Tag. Wie recht hat er doch, es ist der Augenblick, der Glück verschafft, den man intensiv aufnehmen und genießen muss. Dann knattert wieder das alte Moped die staubige Straße entlang, Georgos ist fertig mit seiner Arbeit und fährt nach Hause.
Insgesamt fünfmal besuche ich ihn noch. Rufe jeweils kurz davor an, ob er einen Tisch für mich hat und ob er mir wieder ein Abendessen zubereitet. Seine Antwort ist immer die gleiche: "for you my friend, I always have a table". Und jedesmal setzt er sich zu mir und wir sinnieren über Glück, Zufriedenheit und den Sinn des Lebens.
Danke Georgos!